Geschichte des HLL

Frühe Anfänge an der TUM

Der Beginn der Entwicklung von Silizium-Strahlungsdetektoren innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft wurde von G. Lutz und J. Kemmer in den frühen achtziger Jahren durch den Bedarf an schnellen und strahlungsharten positionsauflösenden Nachführdetektoren für Fixed-Target-Experimente in der Hochenergiephysikforschung angeregt. Erste Entwicklungen wurden an der Technischen Universität München mit Sitz in Garching bei München realisiert. Die Entwicklung eines planaren Prozesses, abgeleitet aus der aufstrebenden Mikroelektronikindustrie, wurde in einen Herstellungsprozess für Detektoren überführt. Die NA11- und NA32-Experimente mit festem Target am CERN (1982-96) waren die ersten, bei denen Siliziumdetektoren, die mit dem planaren Verfahren hergestellt wurden, für die präzise Teilchenverfolgung eingesetzt wurden. Sie wiesen eine räumliche Auflösung im Bereich von zwei bis fünf Mikrometern auf. Die Rekonstruktion der Zerfallspunkte von charmed Hadronen führte zu einer Lebensdauermessung von nie dagewesener Genauigkeit. Damals lagen die empfindlichen Detektorflächen in der Größenordnung von Quadratzentimetern und die zugehörige Ausleseelektronik mit einigen hundert Kanälen füllte ganze Regale mit Elektronik. Seitdem wurde der Einsatz von Silizium-Strahlungsdetektoren in vielen Bereichen der Grundlagenforschung sehr populär. Heute nutzen die bisher größten Experimente der Hochenergiephysik, ATLAS und der CMS-Detektor am Large Hadron Collider (LHC), Siliziumdetektoren mit einer Fläche von etwa 300 m² und 600 m². Aber auch außerhalb der Teilchenphysik haben Silizium-Strahlungsdetektoren einen gigantischen Siegeszug angetreten. In der Astrophysik werden sie als spektroskopische Imager, in den Materialwissenschaften als Röntgendetektoren für Fluoreszenzlicht, in der Synchrotronstrahlungsforschung als Hochgeschwindigkeits-Röntgenzähler, in der Gammastrahlenanwendung in der Medizin und Astrophysik als hochempfindliche Lichtdetektoren zum Auslesen von Szintillationslicht eingesetzt.

MPG HLL am Standort Pasing

Das ESA-Satellitenprojekt XMM-Newton erforderte einen anspruchsvollen großen Röntgenbildwandler. Es wurde deutlich, dass die Produktion von defektfreien neuartigen Siliziumdetektoren im Wafermaßstab eine solche genau definierte Reinraumumgebung erforderte. Im Jahr 1990 wurde die Technologie in die ehemaligen Räumlichkeiten des Fraunhofer-Instituts für Festkörpertechnologie in München-Pasing verlegt. Ein 250 m² großer Reinraum der Klassen 10 bis 100 wurde angemietet und mit Fertigungsanlagen für ultrahochohmiges Float-Zone-Silizium ausgestattet. Die bestehende Technologie wurde auf vier Zoll Wafergröße aufgerüstet, um einen vollständig doppelseitigen Prozess zu ermöglichen. Zusätzlich zur Halbleiterfertigungstechnologie wurde ein Testbereich mit Prüfständen für die ATLAS-Streifen- und Pixeldetektoren gebaut und eine Röntgentesteinrichtung für die pnCCDs des XMM installiert. Die Simulations- und Layoutwerkzeuge wurden erweitert und die Implementierung eines Prozessdatenbanksystems zur Qualitätssicherung und -kontrolle wurde realisiert. In diesem Labor wurde erfolgreich eine 36 cm² pnCCD für XMM realisiert und in Betrieb genommen.

MPG HLL in Neuperlach

Im Jahr 1999 begannen wir mit der Evaluierung des Upgrades von vier Zoll Wafergröße (100 mm) auf sechs Zoll (150 mm). Dieser Schritt wurde durch neue Projekte motiviert, die monolithische Detektoren benötigen, die größer als sechs mal sechs Quadratzentimeter sind, das Maximum für das 100 mm Format mit einer Diagonale von etwa 8,5 cm. Im Jahr 2000 haben wir unseren zweiten Standortwechsel abgeschlossen. Diesmal zogen wir in den Münchner Stadtteil Neuperlach auf das Siemens-Gelände. Eine 1000m² große Reinraumfläche, mit 600 m² Reinraum der Klasse 1, wurde 2001 in Betrieb genommen und qualifiziert. Auch dieser Standortwechsel war ein enormer Fortschritt in der Prozesstechnik, der sich wie folgt ausdrücken lässt:  In Garching lag der thermische Leckstrom pro Quadratzentimeter - ein Gradmesser für die Qualität des Herstellungsprozesses - bei etwa 1 nA, in Pasing bei etwa 0,5 nA auf 280 μm dicken Detektoren.  In Neuperlach erreichen wir routinemäßig 0,1 nA pro Quadratzentimeter, allerdings auf 500 μm dicken verarmten Siliziumwafern. Die kleinsten Strukturen wurden in Pasing von 3 μm auf 2 μm verkleinert. Gegenwärtig erreichen sie 1,5 μm.

Neue Organisation des Labors und Zukunftspläne

Im Jahr 2013 wurde die Organisation des Labors geändert und das MPG HLL wurde zu einer zentralen Einrichtung der Max-Planck-Gesellschaft. Der Bedarf an noch größeren Räumlichkeiten wurde mit der Zeit immer größer und derzeit befinden wir uns in der Phase des Baus eines eigenen Labors mit insgesamt 1500 m² Reinraumfläche. Wir kehren in die Nähe des ursprünglichen Standortes des Labors in Garching bei München zurück. Der Umzug an unseren endgültigen Standort ist für Ende 2023 geplant. Im Zuge des Umzugs an den neuen Standort ist die nächste größere Aufrüstung der Technologie geplant, nämlich die Umstellung auf die 8-Zoll-Technologie und die Ausweitung auf nicht siliziumbasierte Geräte.

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